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Bildungsreise nach Finnland

Vom 15. bis 19. Mai war ein Team von Mitarbeiter*innen, Vorstandsmitgliedern und Vertreter*innen von Mitgliedsorganisationen des bbt in Helsinki auf einer Bildungsreise

Im Rahmen der Bildungsreise hat das bbt-Team erfahren, wie das Thema Bildung in fast allen Aspekten des Lebens in Finnland verankert ist. Finnland ist ethnisch und was die Mentalität der Einwohner angeht, stark durchmischt. Das Land befand sich nicht nur geographisch schon immer zwischen Russland und „dem Westen“. Finnland ist gemäß des World Happiness Reports (2018) das glücklichste Land der Welt und gilt als Vorbild für den Bereich Bildung. So zeichnet sich das Land z.B. durch sehr gute Ergebnisse in der PISA-Studie (Platz 1 in der Welt) und im Bereich Soziales aus. Zum Thema "Sicherste Kinder" (Most secure childhood) und im Bereich Politik (möglichst wenig Korruption) nimmt Finnland jeweils den dritten Platz weltweit ein. Finnland hat 5,5 Millionen Einwohner. Davon haben ca. 275.000 Menschen eine Einwanderungsgeschichte. In den 80er Jahren kamen viele Somalier nach Finnland.

 

Bildung

 

In den 70er Jahren war Finnland ein armes Land. Finnen lernten aber aus ihrer Geschichte und haben vor allem in die Menschen und ihre Stärken investiert. In den 70er und 80er Jahren haben sie z.B. Lehrer*innen auf einem hohen Niveau ausgebildet. Von 1980 bis 2000 wurden die wesentlichen Entscheidungen den Kommunen übergeben (Dezentralisierung). Es gibt keine Inspektionen o.Ä. für Lehrer*innen. Das System basiert vollkommen auf Vertrauen. Von 2000 bis 2010 wurde die Bildung an die Kinder mit verschiedenen Alternativen und Lösungen orientiert. Zentrale Aspekte waren dabei Entwicklungsziele, sowie Kinderrechte und -verantwortung.

Die Schüler*innen müssen in der Schule finnisch und schwedisch lernen; dies ist zwingend. Schwedisch ist nicht besonders beliebt. Sie lernen darüber hinaus auch andere Sprachen. Es gibt ein größeres Angebot von Muttersprachunterricht. Die Klassen können sehr unterschiedlich aufgeteilt sein. Dies hängt maßgeblich davon ab, wo sich die Schule jeweils befindet und dabei insbesondere, ob sie sich in der Stadt oder auf dem Land (z.B. in Lappland) befindet. In der Regel besteht eine Klasse aus weniger als 20 Schüler*innen. 99% der Schulen sind staatlich und kostenlos. Es gibt daneben noch Waldorfschulen sowie deutsche Schulen.

Das Schuljahr ist kürzer als in Deutschland. Die Sommerferien sind von Ende Mai bis Mitte August. Es gilt bis zum 18. Lebensjahr eine Schulpflicht. Somit sind 12 Jahre Schule für alle verpflichtend. An jeder Schule sind standardmäßig eine Krankenschwester, ein Psychologe, ein School Coach und ein Sozialarbeiter vorhanden. In Helsinki gibt es insgesamt ca. 20 School Coachs. Das Bildungsministerium bietet Übersetzungen für Eltern an.

 

Die Schule Itäkeskus

 

Die Schulleiterin und 6 Schüler*innen berichteten über das Schulleben. Sie fühlen sich sehr wohl dort und gaben an, dass sie gute Lehrer*innen haben. Sie können an der Schule sie selbst sein (Motto: „Everybody can be themselve“) In der Schule gibt es wenig Hierarchien zwischen Lehrer*innen und Kinder. Sie duzen sich.

Es sind recht flexible Strukturen, die vorgeben, wie die Kinder lernen können, vorhanden. Beispiele dazu: Sie erstellen selbst den Stundenplan. Es gibt Mittelwege im System und verschiedene Zeiten. Normalerweise gibt es 90 Minuten Unterricht und 30 Minuten Pause und wieder 90 Minuten Unterricht und 30 Minuten Pause. Die Hausaufgaben werden meistens in der Schule erledigt. Zu Hause können sie dann mehr üben, sofern sie Bedarf und die Motivation dazu haben.

Grundlage für alles ist das Schulsystem Wilma. Jede Stadt in Finnland hat ihr eigenes Wilma -System und jeder Schüler bekommt einen persönlichen Account. Damit kann er/sie E-Mails verwalten, Noten kontrollieren, Fächer auch mitten im Schuljahr tauschen und vieles mehr. Wilma gibt es zudem als App fürs Handy. Die Lehrer*innen schreiben jeden Tag die Eltern an und berichten, was die Kinder gut und was sie nicht so gut in der Klasse gemacht haben. 

Ab der ersten Klasse haben die Schüler*innen Unterricht im Fach "positive Psychologie" (social & emotional skills). Die Atmosphäre ist gut und das Gewaltniveau ist gesunken. In der Schule gibt es auch einen School Coach, ein Art Sozialpädagoge. Diese Person bildet den Mentor für die Kinder und hört sich die Herausforderungen der Kinder an. Die Lehrer*innen müssen 3 Tage Fortbildungen im Jahr zu den Themen Antirassismus, Antidiskriminierung und Vielfalt absolvieren. Es gibt zwei Elternabende im Jahr. Es gab ein Projekt mit Polizisten und Sozialarbeitern.

Die Schule hat eine Schulpartnerschaft in Frankreich.

Herausforderungen:

  • Es gibt weniger Lehrer*innen mit Migrationserfahrung
  • Elternarbeit funktioniert nicht so gut
  • Social-Media Schwierigkeiten z.B. Rassismus & Mobbing

Mehr Informationen s. unter: https://bit.ly/3S8M0TW

 

FAMILIA RY

 

Diese NGO wurde im Jahr 1988 gegründet. Aktuell besteht sie aus 9 Mitarbeiter*innen. Sie haben insgesamt 1.600 Mitglieder. Die Arbeitssprachen sind Finnisch und Englisch.

Familia arbeitet mit 83.000 interkulturellen Familien. 5,5% der Ehen sind interkulturell.

Zielgruppen: Adoptionsfamilien, binationale Familien, globale Familien, Patchworkfamilien, kinderlose Familien, Familien mit Zwillingen, Regenbogenfamilien, Pflegefamilien, Familien mit Alleinerziehenden und Familien, in denen die Kinder gestorben sind.

Themen:

  • Ehe-Beziehungen
  • Erziehung interkultureller Kinder
  • Bi-/Multilingualism
  • Integration
  • Visum & Rechtsfragen
  • Arbeitsmarkt
  • Sprachkurse
  • Rassismus und Diskriminierung
  • Physische Gesundheit

 

Der Schwerpunkt bei der Arbeit bilden die Familien und nicht der Rassismus.

Familia arbeitet in Kooperation mit Universitäten, Organisationen und Netzwerken, wie z.B. Moniheli.

Familia wird von der Stadt finanziert. Sie erhalten 500.000,-€/ Jahr vom Ministerium für Soziales und Gesundheit.

Mehr Informationen siehe unter: https://www.familiary.fi/

Insgesamt werden 368 Mio. €/ Jahr für NGOs in Finnland aufgewendet.

Eltern werden mit Materialien und Konzepten bezüglich des Themas "Sprachkurse" unterstützt, damit es möglich wird, die Kurse leiten zu können, z.B. in anderen Sprachen wie Farsi.

Die Ausstattung der Räume der NGO sind modern. Sie haben ein tolles Corporate Design mit nachhaltigen Give-Aways. Es gibt keine festen Arbeitsplätze. Die Mitarbeiter*innen verteilen sich an den Arbeitsplätzen und schauen jeden Tag, wo sie am besten arbeiten können. Die Verteilung hängt von den Aufgaben und/oder den Arbeitsgruppen ab. Die Arbeit ist somit sehr flexibel gestaltet.

 

See the Good, Happy kids learn best 

 

See the Good basiert auf der positiven Psychologie (2000) und gilt wissenschaftlich belegt als Fundament für die psychische Gesundheit. Der Mensch befindet sich in konstanter Verbindung mit anderen Menschen und wenn diese Interaktion positiv ist, können wir die Schwierigkeiten im Leben einfacher lösen.

See the Good unterstützt Schüler*innen und Erwachsene ihre Stärken wahrzunehmen und weiterzuentwickeln. Dafür ist es notwendig, dass die Personen Ihre Stärken entdecken.

Die Person kann überlegen, was sie gerne macht (z.B. bestimmte Hobbies), und sie kann überlegen, mit wem sie es gerne macht (z.B. mit Schulkameraden, mit der Familie, mit Freunden oder mit anderen Erwachsenen).

Jeder fokussiert sich auf das Positive. Jeder sieht das Gute! Der Erfolg hängt nicht von den Talenten ab, sondern davon, wie wir selbst an uns arbeiten und jeden Tag davon lernen.

Nachfolgend sind einige Übungen aufgeführt, die man im Alltag oder mit der Schulklasse machen kann:

  • Welche Stärke hast du? Ein Beispiel dazu!
  • Welche Stärken habe ich in verschiedenen Bereichen meines Lebens?
  • Was ist heute gut gelaufen?
  • Welche Stärke möchte ich weiter üben?

Eine weitere Übung:

  • Mal die Skizze deiner Hände
  • Wähle 5 Stärken von dir und schreibe eine davon in jeden Finger, z.B. Leadership, Kindness, Creativity usw. Gib Bespiele dazu an und notiere, wo dir diese Stärke nutzt.
  • In die Handfläche schreibst du, was du machen möchtest und was du Neues lernen möchtest. Du kannst einе oder zwei Sachen einkreisen.
  • Ins Handgelenk schreibst du eine Stärke, über die du mehr lernen möchtest

 

Ergebnisse in der Schule mit der positiven Pädagogik

 

Die Ergebnisse zeigen sich mit der Zeit. Mit der positiven Pädagogik zu lernen stellt einen Prozess dar. Nach ca. 5 Jahren waren in der Schule Fortschritte in der Gemeinschaft erkennbar. See the good wird im Rahmen des Klassenrats und im Fach Finnisch gelehrt.

  • Schüler*innen fühlen sich selbstbewusst und zufrieden
  • Gewalt zwischen Schüler*innen ist gesunken
  • Lehrer*innen lernen viel dazu, vermitteln und geben die Erfahrungen weiter

 

Digitale Materialien siehe hier

Es gibt See the Good Online-Schulungen von November 2022 bis Januar 2023

 

MONIHELI RY

 

Moniheli ist ein finnisches, multikulturelles Netzwerk mit mehr als hundert Organisationen. Die Organisation unterstützt Migrant*innen, setzt sich für Integration und soziale Inklusion ein und fördert die Gleichberechtigung.

Moniheli engagiert sich für die Förderung der Bildungsgerechtigkeit von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Das primäre Ziel von Monihelis OmaPolku-Projekt (2020-2022) ist es, jungen Menschen mit Migrationshintergrund zu helfen. Es zielt darauf ab, den jungen Menschen zu helfen, nach der Grundbildung eine höhere Sekundarschulbildung zu finden, die besser zu ihren eigenen Stärken und Interessen passt. Sie sollen zudem die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um einen Bildungsweg zu wählen.

Die Organisation führt auch Projekte im Bereich Digitalisierung, Inklusion, Gesundheit und Umwelt durch. Das Projekt Katto will die Obdachlosigkeit von Migranten stoppen bzw. vermeiden.

Moniheli vergibt Mikroprojektförderungen an Migrantenorganisationen, ca. 300.000-€ für drei Jahre.

Mehr Informationen siehe unter: https://moniheli.fi/

 

MLL, Haus der Familie in Vaanta 

 

Die Organisation existiert seit 100 Jahren und ist in 10 Distrikten mit 90 Mitarbeiter*innen und ca. 1000 Freiwilligen im Jahr aktiv. MLL unterstützt den Alltag von Familien.

Sie bieten jeden Tag Frühstück für die Familien, die zum MLL kommen, an.

Aktivitäten wie Spielgruppen, Sprachunterricht und Lesehunde finden regelmäßig statt.

Sie haben Projekte wie z.B.:

Freund/in für eine Mama mit Migrationserfahrung: das Projekt ist sehr bekannt, es nehmen ca. 500 Mütter im Jahr teil. Die Mamas treffen sich mit einer Person, die fließend finnisch spricht. Sie unternehmen zusammen verschiedene Aktivitäten, um die Sprache zu lernen und um den Alltag in der Familie in Finnland kennenzulernen. Voraussetzung: Die Ehrenamtlichen müssen finnisch sprechen und eine gute Balance im Leben haben.

Sie bieten:

  • Unterstützung und Training für Freiwillige
  • Jede zweite Woche stehen sie zur Verfügung (für Fragen, Themen, usw.)
  • Follow-up 3-4 Mal im Jahr, auch mit Feedback-Fragebogen

ABC- Parent Groups: es handelt sich hierbei um ein wissenschaftliches Programm der Universität Karolinska in Stockholm. Im Rahmen der Fortbildung (4 Tage Kurs) lernen die Eltern von Kindern zwischen 3 und 12 Jahren, wie sie eine gute und enge Beziehung mit ihren Kindern stärken können. Der Kurs wird auf Finnisch, Englisch, auf Somali und in leichter Sprache angeboten. Es gibt einen Fragebogen am Anfang und eine Evaluation am Ende.

Perhehaavi-Activities: Sie bieten individuelle und gruppenorientierte Beratung für Familien in sechs verschiedenen Sprachen an. Es gibt 10 Gruppen pro Woche. 

Mehr Informationen siehe unter: https://helsinki.mll.fi/

                                                                                                                               

Wir lernten drei wichtige Wörter auf Finnisch:

ELÄ: lebe

NAURA: lache

RAKASTA: liebe

 

Es war eine bereichernde und spannende Zeit in Helsinki!                 

 

Persöhnlicher Bericht von Ana María Becker

        

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