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Projekt FGI: Was haben wir bisher im Projekt erreicht?

„Die Familien möchten von Menschen informiert und beraten werden, denen sie vertrauen“

Das Projekt „Familien gut informiert – Informationen über Familienleistungen zielgruppengerecht gestalten“ dient dazu, Barrieren für migrantische Familien zu identifizieren, die sie daran hindern, ihnen zstehende Familienleistungen in Anspruch zu nehmen. Das FGI-Team sammelt Ideen für die Überwindung der Barrieren und bereitet diese systematisch auf.

Workshops

Ein wichtiger Baustein der ersten Projektphase war die Durchführung von 10 Workshops bei den Mitgliedern des bbt vor Ort. Die Workshops, die weitestgehend von den Mitgliedsvereinen organisiert wurden, fanden wie geplant statt:

1. 15.07. Halle LAMSA e.V.

2. 27.08. Berlin Club Dialog e.V.

3. 10.09. Halle LAMSA e.V. und bbt (Kebik)

4. 18.09. Hannover FÖTEV-Nds e.V

5. 22.09. Dresden Ausländerrat Dresden e.V.

6. 26.09. Hamburg amfn e.V. Hannover

7. 30.09. Hannover amfn e.V. Hannover

8. 2.10. Halle Islamisches Kulturcenter Halle e.V.

9. 15.10. Mannheim BVRE e.V.

10. 16.10. Düsseldorf BVRE e.V.

Nach einer sehr interessiert aufgenommenen Vorstellung des Projektes folgte(n) jeweils ein oder mehrere fachliche Inputs, die auf die Bedarfe der jeweiligen Träger zugeschnitten waren (z.B. spezielle Unterstützungsleistungen für Familien in Folge der Corona-Pandemie, Überblick über Familienleistungen, Informationen zu Familienerholung) und von ihnen selbst organisiert wurden. Im Falle des Anfragens nach Unterstützung bei der Referent:innensuche wurde das Projektteam tätig und empfahl geeignete Personen. Im Laufe der Workshops kamen immer häufiger auch Anfragen zu neuen Ausschreibungen und Änderungen von Leistungen sowie zu Coronaleistungen. Diese Anfragen wurden teils beantwortet und dann an die bbt-Regionalstellen weitergeleitet, die derzeit die Unterstützung der Mitglieder vor Ort aufbauen. An jedem Standort wurde eine regelmäßige Wiederholung der Workshops angefragt.

Referent:innen, die zum Einsatz kamen

  • Jamil Jawabra, Sozialpädagoge und Traumafachberater, tätig in der Erziehungs- und Familienberatungsstelle des FAIRbund e.V. in Leipzig, zum Thema Familienleistungen
  • Ekaterina Mayer-Sawatzki, tätig im Club Dialog in Berlin als Sozialpädagogin, zum Thema Familienleistungen
  • Seyhan Öztürk, Vorsitzende FöTEV Nds., Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Familienfragen in Niedersachsen, zum Thema Familienerholung
  • Anja Treichel, Projektkoordinatorin des FGI-Projektes, zum Thema Familienleistungen

Nach dem Input lag der Schwerpunkt im Austausch der Teilnehmenden über ihre eigenen Erfahrungen und ihre Erfahrungen aus Beratung und Netzwerken. Gemeinsam wurden in Gruppenarbeiten bestehende Barrieren identifiziert und Ideen für neue Formen der Informationsvermittlung, aber auch für die Arbeit der jeweiligen Organisationen vor Ort und für die Rolle, die das bbt dabei spielen kann, entwickelt.

Die Workshops wurden protokolliert und anschließend ausgewertet. Hier eine Zusammenfassung der Ergebnisse.

Allgemeine Ergebnisse

Die Workshops trugen ausnahmslos einen sehr intensiven Charakter, es existiert ein großes Bedürfnis bei den Organisationen vor Ort nach Austausch zu vielen Familienthemen, die weit über die Familienleistungen hinausgehen.

Das Projekt wird allgemein sehr positiv bewertet; bbt-Mitglieder und andere Akteur*innen haben es als sehr motivierend empfunden, dass ihre Erfahrungen und Expertise abgefragt werden. Häufig fiel der Satz „Sagen Sie das bitte dem Familienministerium!“

Die Diskussionen und Fragen gehen über die Familienleistungen hinaus; eine Eingrenzung auf das Thema ist kaum möglich, da Familienfragen von den meisten Menschen eher ganzheitlich gesehen werden.

Familienleistungen und Unterstützung der Familien durch die MO

Es wurde übereinstimmend festgestellt, dass Informationsdefizite zu den zahlreichen in Deutschland erhältlichen Familienleistungen nicht nur bei den Familien selbst, sondern auch bei den Berater*innen, den Elternvereinen und den Migrantenorganisationen, aber auch in dafür spezialisierten Beratungsstellen bestehen, da die Leistungen sehr vielfältig sind, sehr fragmentiert erscheinen und zusätzlich ständigen Änderungen unterliegen. Die Migrantenorganisationen haben größtenteils nicht die nötige Personalkapazität, um eine gute Beratung in diesem Bereich anbieten oder auch nur aufbauen zu können, werden aber immer wieder dazu angefragt, da deren Mitglieder und deren Umfeld sie als niedrig schwellige Anlaufstelle anderen Stellen gegenüber bevorzugen und ihnen großes Vertrauen entgegenbringen. Hinzu kommen oft erwähnte Einzelpersonen in den migrantischen Communities, die privat ihr gesamtes Umfeld nach bestem Wissen und Gewissen beraten. Diese Personen haben häufig keinen oder nur losen Kontakt zu den bestehenden MO. Es existiert viel Halbwissen, was die Informationen zu den Leistungen betrifft, aber auch gute Unterstützung in speziellen Fragen, die auf eigenen Erfahrungen beruht. Neben besagtem Halbwissen besteht auch ein Spezialwissen mit Infos aus erster Hand, das in professionellen Beratungsstellen oft fehlt.  

Bei der Frage nach den genutzten Materialien wurde häufig wiederholt, dass Materialien wie Broschüren, Webseiten, Filme etc. häufig von Berater:innen, aber kaum von den Familien selbst genutzt werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass eine Fülle von Material dazu geführt hat, dass selbst bei professionellen Berater:innen Unkenntnis bzw. Unsicherheit darüber besteht, welche dieser Materialien tatsächlich auf dem aktuellen Stand sind, welche wirklich relevante Informationen enthalten und darüber hinaus verständlich (auch für Nichtjurist:innen) aufbereitet und sprachlich einfach gehalten sind. Daher werden die Kombination aus einer guten, professionellen Beratung und aktuellen, mehrsprachigen Materialien (am besten aus einer verlässlichen Quelle) und Informationen sowie regelmäßige Fortbildungen für Berater*innen und Multiplikator*innen als sehr wichtig angesehen.

Einige MO haben unter großen Anstrengungen den Bereich der Arbeit mit Familien in den letzten Jahren stark ausgebaut und professionalisiert, aber bieten z.B. auch Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) oder Jugendmigrationsdienste (JMD) an. Alle diese Organisationen sind dadurch stark gewachsen und reflektieren, dass sie den Bedarfen der Familien damit viel besser gerecht werden, als wenn sie die dringend benötigte Beratung nebenbei erledigen, weil sie finanzielle Mittel nur für Projekte in anderen Bereichen erhalten.

Angebote für die ganze Familie gehen dabei vor Angeboten für einzelne Familienmitglieder. Ein Angebot für die ganze Familie mit zeitweilig getrennten Räumen für Kinder, Väter und Mutter wurde häufig als die für migrantische Familien am besten geeignete Form gesehen. Frauen benötigen dennoch besondere (über Sprachkurse hinausgehende) Unterstützung, um nicht vom Ehemann abhängig zu sein.

Im Austausch wurde oft der steinige Weg von MO in die Jugendhilfe thematisiert, der allgemein als lohnend dargestellt wurde. Als positive Beispiele sind hier zu nennen FöTEV Nds. in Hannover, der Ausländerrat Dresden und LAMSA e.V. in Sachsen-Anhalt. Viele MO, die eine Anerkennung als Jugendhilfeträger beantragen, werden in der ersten Runde abgewiesen, da ihnen vorgehalten wird, sie haben keine über Projekte hinausgehenden Angebote für Familien vorzuweisen (weswegen sie ja die Anerkennung überhaupt beantragen). Unterstützung bei der Anerkennungsprozedur durch z.B. das bbt wird daher von allen MO vor Ort befürwortet.

Gar keine oder projektförmige Förderung wird übereinstimmend als nicht geeignet für vertrauensvolle Beratung/Unterstützung von Familien gewertet.

Identifizierung wichtiger Themen und Formate

  • Familien- und Erziehungsberatung
  • Gesundheit und Ernährung
  • Identität - „Erziehung zwischen zwei Kulturen“ -
  • Bildung(ssystem) und Infos zu Elternarbeit
  • Alles rund um Familie, ganzheitlich
  • Rolle des Jugendamtes oft unklar, wird als „Amt, was die Kinder wegnimmt, wahrgenommen“ und nicht als Unterstützungsstruktur: Aufklärung von Rolle und Arbeit der Ämter im Gemeinwesen sowie Kooperation mit MO dringend nötig

Ideen zur Rolle des bbt für die Mitglieder

Die Angebote von Migrantenorganisationen bieten ratsuchenden Familien das, was sie brauchen: ein Angebot einer Institution, der die Menschen vertrauen. Viele MO sind bereit, sich mehr in diesem Bereich zu engagieren, schaffen die dafür nötigen bürokratischen Schritte aber nicht aus eigener Kraft. Daher kam in nahezu allen Workshops der Wunsch auf, dass das bbt hier eine koordinierende Funktion ausüben möge. Die in den Workshops gewünschten Unterstützungs- und Serviceleistungen für die MO werden hier nochmals zusammengefasst:

  • Aus- und Fortbildung von Berater:innen, Lotsen, Multiplikator:innen für verschiedene Bereiche, über die Familienleistungen hinausgehend
  • Träger von Elternkursen als Format zur Vermittlung der eruierten Themen und daran anschließend Multiplikator:innenkurse für die Eltern, die interessierter sind als andere, sollten flächendeckend angeboten und vom bbt koordiniert werden
  • Unterstützung bei der Anerkennung als Träger der Jugendhilfe
  • Regelmäßige Workshops zu Familienleistungen und anderen Themen durch bbt
  • Unterstützung bei der Schaffung von vielfältigen Angeboten für Familien: Familienberatung, Familienerholung, Familienbildung, politische Bildung für Familien
  • Bbt als Servicestelle für Mitglieder in Familienfragen, regelmäßige Infos an Mitglieder über Neuerungen und politische Entwicklungen, aber auch über Fördermöglichkeiten
  • Bündelung politischer Forderungen für die Bundespolitik und Vertretung der Interessen migrantischer Interessen auf Bundesebene (wird bereits zum Teil ausgeführt)

Interviews

In 12 Interviews wurden eingehend und detailliert Fragen im Zusammenhang mit den Familienleistungen erörtert. Interviewt wurden Berater:innen verschiedener Zielgruppen, z.B. Asylsuchende mit Aufenthaltsperspektive, EU-Angehörige, Angehörige verschiedener ethnischer Gruppen, aber auch Menschen, die Familienberatung leisten. Personen, die in eher offenen Treffs arbeiten, wurden interviewt und  Expert*innen für Familienleistungen für nichtdeutsche Staatsangehörige. Die Interviews wurden von Anja Treichel, Alaa Yakoub Agha und Kathrin Kivanc (Praktikantin Bildungswissenschaften) geführt und verschriftlicht.

Folgender Leitfaden wurde in den Interviews genutzt:

  • Welche Erfahrungen bzgl. Wissen zu Familienleistungen haben Sie gemacht? Welche Fragen sind in ihrem Umfeld häufig?
  • Welche Ideen/Materialen oder Methoden benutzen Sie in der Beratung bzw. welche Formate zur Information der Familien?
  • Wie schätzen Sie den Wissens- und Informationsstand der Familien zu den Leistungen ein, aber auch Ihren eigenen und den Ihrer Kolleg:innen?
  • Welche Ideen haben Sie, wie die Informationen für die Eltern besser aufbereitet und verbreitet werden könnten?
  • Welche Sprachen werden aus Ihrer Sicht am häufigsten benötigt?

Die Erkenntnisse aus den Workshops werden zum größten Teil in den Interviews bestätigt bzw. noch geschärft.

Planungen

  • Weitere systematische Auswertung von Workshops und Interviews
  • Herstellen und Verbreiten von Podcasts (statt der geplanten Broschüre)
  • Planung nächste Workshoprunde (2022)
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